Artikelbild: Sustainable Fashion Designerin Ina Budde überarbeitet ein Cocktailkleid. Die Künstlerin Agente(costura) näht neben ihr an der Maschine.
Die Bedeutung von #FashRev
Sicher erinnern Sie sich noch: Vor zwei Jahren stürzte in Bangladesch eine Textilfabrik ein, die für westliche Unternehmen produzierte. Mehr als tausend Menschen starben. Aus diesem Anlass gründete sich die globale Fashion Revolution Bewegung (#FashRev), die Bewusstsein über die Produktionsbedingungen von Kleidung schaffen möchte. Der Fashion Revolution Day am 24. April ist ein Gedenktag an die Tode der Mode.
LNFA Concept Store und Agentur
Sevil Uguz betreibt selbst ein Business rund um Fashion. Sie leitet die PR Agentur LNFA für junge DesignerInnen und hat zwei nachhaltig konzipierte Fashion Stores im Bikini Berlin Lifestylehub eröffnet. Seit Mai vergangenen Jahres ist sie auf 1200 Quadratmetern Teil der berliner Fashionwelt. Die Einrichtung kommt vom Sperrmüll.
LNFA steht für Live Network Fashion & Art. Achtzig Partnerschaften auf Kommissionsbasis hat Sevil bereits geschlossen. DesignerInnen können sich initiativ bei ihr bewerben. Die Kriterien für eine Aufnahme sind einfach: Verkaufbarkeit, gute Qualität, Engagement.
Sevil hat ein Diplom als Juristin. Sie kam über ein Praktikum in einer berliner Modeagentur auf den Geschmack und blieb. Schon nach zwei Jahren gründete sie ihr eigenes Unternehmen. Nicht zuletzt um ihr Label bekannt zu machen, beteiligt sie sich an politischen und sozialen Aktionen. Ihre #FashRev Swap Party ist eine Partnerveranstaltung des Fashion Revolution Day.
Der Ablauf der Swap Party
Die Idee zur Aktion ist einfach: Man bringt Kleidung, die man nicht mehr braucht. Die Stücke werden von Profis geschätzt und nach Punkten bewertet. Dafür erhält man Spielgeld, dessen Gegenwert nach Belieben eingetauscht werden kann. Das Geld ist nur für den Zeitraum der Party gültig. Übrig gebliebene Teile werden der Stadtmission gespendet.
Als stylischer Veranstaltungsort ermöglicht das 25hours Hotel eine sozial animierende Atmosphäre, die so gar nicht an Pfarrflohmärkte oder Garagenverkäufe erinnert. Die Bar ist gemütlich und teuer, BesucherInnen chillen auf bequemen Sitzmöbeln. Als Umkleidekabine stehen geräumige Waschräume mit Designbrunnen zur Verfügung. Die live Änderungsschneidereien von Ina Budde und Agente(costura) neben dem mobilen Fotostudio von Posh gestalten den Tausch als Aktion. Alle haben Spaß.
Fundstücke und die Angst vor Motten
In einem Polstersessel richte ich mir einen Beobachtungsposten ein. Neben mir entspannt ein junger Mann. Er hat Kleidung im Wert von 250 Tauschpunkten mitgebracht. Leider gibt es für ihn kaum Auswahl. Seiner Nichte könnte er vielleicht etwas mitbringen, aber sie hat einen sehr eigenen Geschmack. „Sie liebt schwarz“ verrät er mir – mein Spezialgebiet.
Ich biete an, für diese Vierzehnjährige tolle Teile zu suchen und gehe stöbern. An einer Stange hängt eine zerschlissene Lederjacke von Mango, sie sieht gut aus. Eine Kunstfaser-Pailettenshort ohne Label und auch die Stretchhose mit Plastikeinsätzen könnten passen. Das Neckholderkleid mit transparenten Streifen wird leider vor meinen Augen von schnellen Händen weggezogen. Ein Flauschtop mit Glitzerapplikation lasse ich liegen.
In meiner Größe entdecke ich eine lange Satinjacke mit Leoprint. Würde ich sie jemals tragen?
Neben mir klauben zwei Frauen an den Tischen. „Muss man Angst vor Motten haben?“ fragt eine von ihnen vorsichtig. „Natürlich muss man die Sachen waschen“ rät ihre Freundin.
Die Tauschware fällt nur selten in die Kategorie „nachhaltig“. Es ist sehr viel Kunstfaser dabei. Exklusive Labels sehe ich keine. Das liegt sicher auch daran, dass in den ersten Minuten schon viel ausgesucht worden ist. Darum geht es aber auch gar nicht. Wichtig ist, die Idee zu unterstützen, Produkte einem langlebigen Zyklus zuzuführen, Abfall zu vermeiden und Öffentlichkeit für Konsumentscheidungen zu schaffen. Wenn man die Ursachen für das Problem „Fehlkauf“ untersuchen möchte, ist man bei so einer Party genau richtig.
Neue Freunde und spannende Kontakte
Das Publikum der Swap Party ist wohlwollend, freundlich und gut gelaunt – wer Nachhaltigkeit wichtig findet, kann kein schlechter Mensch sein …
Der Altersdurchschnitt liegt grob geschätzt bei 28 Jahren. Viele Teilnehmerinnen kommen aus der urbanen Kreativszene. Alle haben interessante Geschichten zu erzählen.
Bildstrecke der #FashRev Swap Party 2015 in Berlin
- Über soziale Medien wird zur Fashion Swap Party eingeladen. Ohne Facebook und seine zahlreichen Aufrufe, Einladungen und Erinnerungen käme die kritische Masse an Kleidung erst gar nicht zusammen. Sevil Uguz wirft hier einen Seitenblick auf das Smartphone einer Kollegin.
- Schon vor Beginn der Swap-Party schauen sich erste Besucherinnen um. Noch ist die 25hours Lounge aufgeräumt und ordentlich.
- Die Ware hätte schon am Vortrag abgegeben werden sollen. Doch auch während der Veranstaltung bringen viele Leute Kleidung in Taschen und Rollkoffern. Jedes Stück wird von Profis geschätzt.
- Sevil Umaz, Gründerin von LNFA, ist die treibende Kraft hinter dieser Fashion Swap Party, die in Kooperation mit dem Fashion Revolution Day umgesetzt wird.
- Diese Besucherin hat ganz intuitiv Teile ihrer Freundin als Tauschobjekte ausgesucht, sie lacht laut, als sie davon erfährt.
- Konsequent bei einem bestimmten Stilmittel zu bleiben, zeugt von individuellem Geschmack. Sehr lobenswert.
- Nach welchen Kriterien suchst du Kleidungsstücke aus, die du herbringst, um zu tauschen? Ich höre viele ähnliche Antworten: „Einfach Sachen, die mir nicht mehr passen oder die ich selten getragen habe.“
- Es gibt halt schon auch eine Menge Stücke, bei denen man gut verstehen kann, dass sie nicht mehr getragen werden.
- Die Hoteltoiletten werden zur Umkleidekabine. Alles ist blitzsauber.
- Stilleben mit erstaunlich bravem Kind.
- In einem mobilen Fotostudio mit Sechziger Jahre Tapete können sich die Besucherinnen mit ihren neuen Kleidern fotografieren lassen.
- Ein #FashRev Statement-Print kann aus mehreren Vorlagen ausgesucht werden.
- Wie ist meine Message? Jede Teilnehmerin kann sich eine #FashRev Botschaft für das Foto aussuchen.
- Auch Künstlerin Agente(costura) stellt sich als Statement-Modell zur Verfügung.
- Alle Fotos werden sofort ausgewählt und bearbeitet.
- Bilder der Teilnehmerinnen und Besucher werden live veröffentlicht.
- Sogar während der #FashRev Swap Party stehen die Warenlieferantinnen noch Schlange an der Annahmestelle.
- Für einen Waren-Gutschein kann man Tauschmarken bekommen. Carina Bischof vom Fashion Revolution Day verwaltet sie in einer Holzkasse.
- „Natürlich muss man die Teile waschen, bevor man sie trägt“ höre ich in einer Unterhaltung.
- Wer will, kann sich sein neues Kleid von Ina Budde, Designerin für nachhaltige Mode, gleich vor Ort anpassen lassen.
- Die Party dauert bis Mitternacht. Was von der Sammlung übrig bleibt, geht an die Stadtmission.